Hard Facts / Mastzellen stabilisieren

Melatonin und die Mastzellen

Schlaflose Frau mit Schlafbrille auf der Stirn, zum Thema Melatonin und die Mastzellen.

Kommen wir also zu Melatonin. Dem Schlafhormon. Aber warum das denn? Weil sich die Hinweise darauf häufen, dass Melatonin und die Mastzellen eine interessante Connecetion haben, mit der es sich zu beschäftigen lohnt.

„Ich kann nicht schlafen.“ Das ist eines der Top-Five Probleme, die in der von mir administrierten Facebookgruppe MCAS, Mastozytose und Hit zur Sprache kommen. Bevorzugt so gegen zwei Uhr früh. Das ist insofern dumm, weil Schlaf nicht verhandelbar ist, wie alle guten Therapeut:innen, die ich kenne, betonen. „Melatonin und die Mastzellen“, stöhne ich dann innerlich sofort. Meine erste Antwort ist in der Regel aber eine Frage. Nämlich, ob eine gute Schlafroutine eingehalten wird. Blueblockerbrille, keine Gadgets vor dem Schlafen gehen, keine anstrengeneden Diskussionen, kein Essen nach 19 Uhr, immer zur gleichen Zeit aufstehen, und zu Bett gehen, und so weiter . . .

Melatonin und die Mastzellen: Missverständnisse ohne Ende

Wenn dann die Antwort kommt, dass an dieser Achse schon alle Schrauben gedreht wurden, kommt Melatonin ins Spiel. Und zwar bis 5 mg – das ist eine physiologische Dosis, wie etwa auch Dr. Simone Koch betont, und war, by the way, für mich ein totaler Gamechanger. Nicht selten erhalte ich dann die Antwort: „Aber Melatonin triggert doch die Mastzellen.“ Nein, das tut es nicht. Melatonin aktiviert die Mastzellen nicht. Wir können das gern auch noch mal in Großbuchstaben festhalten:

Melatonin aktiviert oder triggert die Mastzellen nicht. Punkt. Dazu gibt es genug Daten. Es macht auch nicht abhängig. Im Gegenteil. Es reguliert die Mastzellen runter.

Mag. Alexandra Binder

In meiner Recherche zum Thema Melatonin und die Mastzellen ist mir u.a. der US-Mediziner Dr. John Gannage begegnet. Er beschäftigt sich mit funktioneller Medizin, und hat dazu eine Menge wirklich interessanter Informationen gesammelt, auf die ich jetzt gezielt eingehe.

Starten wir mit der Frage: Was ist Melatonin eigentlich?

Melatonin ist ein Hormon, das in der Hauptsache von der Zirbeldrüse in unserem Gehirn produziert wird. Allerdings kommt es auch in anderen Körperbereichen vor, etwa dem Darm, dem Knochenmark, den Augen, und eben den Mastzellen. Bekannt ist Melatonin als Schlafhormon, das der Körper als Reaktion auf Dunkelheit produziert. Es hilft uns beim Einschlafen. Der natürliche Feind des Melatonins ist Licht. Licht blockiert die Produktion von Melatonin. Und ja, auch ein einmaliges Aufdrehen des Lichts beim nächtlichen Pinkeln kann das verursachen. Was tut Melatonin noch? Es unterstützt den Schlaf-Wach-Rhythmus, Stichwort innere Uhr, und entspannt. Nicht grundlos werden Melatoninpräparate gern bei schlaftechnisch problematischen Situationen wie Jetlag oder Schichtarbeit eingesetzt.

Melatonin ist aber noch mehr: ein powervolles Antioxidant

Will heißen: Melatonin unterstützt unsere mitochondrale DNA. Oder um noch klarer zu werden: Es kann bei der Regulierung des Blutdrucks, des Blutzuckers, der Körpertemperatur, der Augengesundheit, bei Reflux, Migräne oder sogar Tinnitus helfen.

Melatonin kann von den Mastzellen freigesetzt werden

Ja, Melatonin wird hauptsächlich von der Zirbeldrüse produziert. Es kann aber auch von den Mastzellen synthetisiert und freigesetzt werden. Und da sind wir auch schon bei dem eingangs erwähnten Zusammenhang (gut hat ein bisschen gedauert). Denn das deutet auf eine wichtige Beziehung zwischen Melatonin und Mastzellen hin. Die Mastzellmembran verfügt über viele Rezeptoren für Stoffe im Körper, die sie regulieren oder aktivieren können. Ein bekanntes Beispiel, das die Mastzellen aktivieren kann, ist dummerweise Östrogen. Ein anderes, das das Gegenteil bewirkt, ist das Melatonin. Melatonin reguliert die Mastzellen nachweislich herunter. Es sorgt dafür, dass weniger Histamin und andere Botenstoffe ausgeschüttet werden.

Der Schlaf, Melatonin, und die Mastzellen

Der Link zwischen den Mastzellen, der Zirbeldrüse und dem Zirkadianen Rhyhtmus findet sich in einer 2021 im Journal of Pineals Research publizierten Studie. In dieser Studie haben die Forscher herausgefunden, dass die Mastzellen nicht nur eine Rolle beim Schutz des Körpers vor Krankheitserregern und Entzündungen spielen, sondern auch eine entscheidende im Schlafzyklus. Yep, richtig gelesen: Histamin und Melatonin spielen beide eine Rolle beim Schlaf. Die Studienautoren schlagen als Conclusio vor, sowohl Histamin als auch Melatonin gezielt einzusetzen, um den zirkadianen Rhythmus wiederherzustellen und mastzellbedingte Krankheiten zu reduzieren.

Stichwort Entzündung

Schauen wir uns eine weitere Studie an, zugegeben eine Tierstudie aus 2010, publiziert vom Pharmacological Research. Darin zeigte sich, dass Mastzellen MT1- und MT2-Melatoninmembranrezeptoren besitzen. Das ist aber noch nicht alles. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die Aktivierung von Mastzellen zur Melatoninsynthese und -sekretion führen kann. Und das wiederum könnte heißen, dass Melatonin dabei helfen kann, Entzündungsreaktionen, die durch Mastzellen verursacht wurden, zu regulieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt schon eine Übersicht, die 2017 im International Journal of Edocrinology veröffentlicht wurde. Deren Quintessenz: die Melatoninrezeptoren in den Mastzellen können dabei helfen, Entzündungswege zu regulieren und Melatonin in der Folge, Entzündungen zu reduzieren.

Chronische Krankheit, Melatonin und die Mastzellen

Ein niedriger Melatoninspiegel wird mit vielen Krankheiten in Verbindung gebracht, darunter neurodegnerative Erkrankungen und Krebs. Ein interessanter Hint ist hier, dass auch die Aktivierung von Mastzellen mit mehreren dieser Krankheiten in Verbindung gebracht wird. Allerdings braucht es weitere Forschung, um zeigen, ob Mastzellen und Melatonin ein zentraler Bestandteil dieser Krankheiten ist, etwa bei Alzheimer oder Multipler Sklerose (MS).

Allergische Hautreaktionen, Melatonin und die Mastzellen

Du leidest unter Ekzemen, Dermatitis, Asthma und anderen allergischen Erkrankungen Krankheitsbildern? Melatonin kann dazu beitragen, diese Reaktionen zu reduzieren, wie folgende zwei Studien bestätigen. Zum Einen trägt Melatonin dazu bei, die Mastzellen vor chemischen Reizen und den damit verbundenen Entzündungsreaktionen zu schützen, wie eine 2013 im Journal of Neuroimmunology veröffentlichte Studie zeigt. Zum anderen kann es dabei unterstützen, Entzündungsreaktionen bei allergischer Rhinitis zu reduzieren, wie eine im Journal of Basic and Clinical Health Sciences veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2020 zeigte.

Stress, Melatonin und die Mastzellen

Die Mastzellen besitzen Stressrezeptoren. Sprich, auch Stress kann die Freisetzung von Mastzellen und Histamin auslösen und zu Symptomen führen. Auch hier kommt Melatonin ins Spiel. Es scheint stressbedingte Reaktionen wie Hautprobleme reduzieren zu können. Eine 2005 in Acta Histochemica veröffentlichte Tierstudie ergab, dass die Behandlung mit Melatonin dazu beitragen kann, die stressbedingte Degranulation von Mastzellen in der Dermis zu verringern.

Was rät der Experte zum Thema Melatonin

Der funktionelle US-Mediziner John Gannage beschäftigt sich, wie eingangs erwähnt, intensiv mit den Zusammenhängen von Melatonin und den Mastzellen. Was rät er nun, um den Melatoninspiegel auf ein gutes Level zu bringen?

„Die mit Abstand wichtigste Empfehlung, die ich zum Schutz des Melatoninspiegels geben kann, ist die Vermeidung von künstlichem Licht und Bluescreens bis weit in die Nacht hinein. Es ist wichtig, elektronische Geräte eine Stunde vor der geplanten Schlafenszeit auszuschalten. Lichtverschmutzung kann die Melatoninproduktion dramatisch beeinträchtigen.“

Dr. John Gannage

Auch eine gute Idee meint er: mehr melatoninreiche Lebensmittel zu sich zu nehmen. Das sind etwa Sauerkirschen, Goji-Beeren, Eier, frischer fetten Fisch (z. B. Lachs), Pistazien, Weintrauben und Pilze.

Die Supplementation mit Melatonin

Was sagt Gannage nun zu einer Supplementation? Er ist absolut dafür, und rät zu 3 mg Melatonin 2 Stunden vor dem Schlafengehen. Wobei er empfindlichen Personen rät, „niedrig zu beginnen und langsam zu steigern“. Konkret heißt das, mit 1 mg zu starten, und dann schrittweise zu erhöhen. Die deutsche fuktionelle Medizinerin Dr. Simone Koch geht noch einen Schritt weiter: Sie sagt, dass Melatonin in einer Dosis bis 5 mg physiologisch ist. Ebenfalls eine Option, sagt Gannage sei 5-HTP. „Serotonin ist eine Vorstufe von Melatonin, was bedeutet, dass es in Melatonin umgewandelt wird, und 5-HTP ist die Vorstufe von Serotonin. Wenn Sie einen niedrigen Serotoninspiegel haben, kann es ein Vorteil sein, zunächst 5-HTP einzunehmen, bevor Sie direkt Melatonin einnehmen“, so Gannage. Wobei er an dieser Stelle auch noch auf folgenden Fakt hinweist: „Bei Patienten mit Mastzellaktivierungssyndrom und Histaminintoleranz treten oft Darmprobleme auf, und Darmprobleme können zu niedrigen Serotoninspiegeln führen. Allerdings: „Wenn Sie SSRI- oder SNRI-Medikamente einnehmen, ist es wichtig, dass Sie vor der Einnahme von 5-HTP Ihren Arzt konsultieren.“ Was vor der Einnahme von Supplementen im Übrigen immer eine gute Idee ist. Sage an dieser Stelle ich.

Last but not least noch ein wichtiger Hinweis: Um den Melatoninspiegel zu erhöhen, braucht es eine funktionierende Umwandlung von Serotonin in Melatonin. Diese Umwandlung beruht auf Schlüsselnährstoffen als Cofaktoren. Das sind Zink, Magnesium, B12 und Folsäure. In diesem Zusammenhang ist es kein Fehler, einen Mikronährstofftest im Vollblut zu machen, um etwaige Mängel aufzudecken und aufzufüllen.

Alexandra Binder About Author

Journalistin, Hashimoto-Hero, Kochwunderwaffe, Achtsamkeits-Anfängerin

2 Comments

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    Eflodur
    21. September 2023 at 19:29

    Die ausgeprägten Antidepressivaintleranzen bei Mcas wären an dieser Stelle zu erwähnen.

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    • Alexandra Binder
      Alexandra Binder
      21. September 2023 at 20:43

      Bitte sag mir gern genauer, in welchem Zusammeng das steht, dann nehme ich es auf in den Text.

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