Natur- und Biokosmetik sind zwei Paar Schuhe. 77 Prozent der im neuen Greenpeace-Marktcheck geprüften Naturkosmetik ist nicht Bio. Das Problem? Bei Naturkosmetik dürfen munter auch Glyphosat & Co. beim Anbau der verwendeten Pflanzen eingesetzt werden. Später macht man dennoch auf dicke grüne Hose.
Die Tarner und Täuscher sind mir ja echt am allerliebsten. Besonders stehe ich auf die Hersteller von Kosmetik, die auf dicke grüne Hose machen, sich dann aber nackig als richtig böse entpuppen. Ich werde ja bei vielem müde. Aber nicht dabei, darauf immer und immer wieder hinzuweisen. Weil es eben nicht egal ist, was wir uns ins Gesicht schmieren und worin wir baden. Wie recht ich habe, zeigt der neueste Marktcheck von Greenpeace. Die Wahrheit ist bitter.
Naturkosmetik ist nicht Bio – weniger als ein Drittel ist ÖKO
Obwohl gern Bio auf Kosmetik draufsteht, ist weniger als ein Drittel der von Greenpeace geprüften Naturkosmetik wirklich zertifizierte Biokosmetik. Zertifiziert heißt, dass die Inhaltsstoffe zu über 95 Prozent biologisch sind. Was passiert stattdessen? Die Hersteller bezeichnen ein Produkt als Bio, wenn nur ein einziger Bio-Inhaltsstoff drin ist. Auch dann, wenn der Rest chemisch-synthetisch ist.
Das Problem: Die Begriffe Naturkosmetik oder Biokosmetik sind keine gesetzlich geschützten Begriffe!
In der EU sind weder Naturkosmetik noch Biokosmetik gesetzlich geschützte Begriffe. Gern verwendete Begriffe wie “mit natürlichen Inhaltsstoffen”, “von der Natur inspirierte Stoffe” oder “mit pflanzlichen Wirkstoffen” machen ein Produkt also nicht automatisch zu Naturkosmetik. Bei Naturkosmetik dürfen auch Pestizide wie Glyphosat beim Anbau der verwendeten Pflanzen eingesetzt werden. Bei Biokosmetik müssen hingegen die pflanzlichen und tierischen Inhaltsstoffe aus biologischer Landwirtschaft stammen. Diese Unterschiede sind für KonsumentInnen allerdings meistens nicht nachvollziehbar.
Übrigens wird auch weniger als drei Prozent der geprüften Naturkosmetik in Österreich hergestellt. Und: Nur 49 Prozent sind garantiert rein pflanzlich.
Beispiel Alkmene: Naturkosmetik ist nicht Bio in der Realität
Weil wir ja nicht nebulos über irgendwas quatschen wollen, nehmen wir als jüngstes Beispiel zum Thema Naturkosmetik ist nicht Bio, das mir untergekommen ist: das Alkmene Bio-Fichtennadelbad.
Wie sich das Alkmene Bio-Fichtennadelbad eine dicke grüne Hose zulegte
Es war einmal ein gewöhnlicher Badezusatz, der grün werden wollte. Er fand einen Gag-Schreiber, der alle bösen Buben aufs Etikett packte, die nicht enthalten sind. „Ohne Parabene, Silikone, PEGs, Mineralöl“, kommt gut. Wollen wir ja alle nicht, Parabene und so. Das Wort „Ohne“ ist dick, fett und groß zu schreiben! Weil das aber natürlich noch nicht reicht, platzieren wir die Begriffe „Bio“ und „Versprechen“ prominent, wegen der Skeptiker wär´s. Vegan kommt auch immer gut, also rauf damit. Ätherische Öle mögen wir alle, kann nicht schaden. Und last but not least verweisen wir noch auf „die Kraft der Heilpflanzen“.
Und da war das gewöhnliche Fichtennadelbad mit miesen Inhaltsstoffen auch schon grün.
Zieht man es mit @codecheck aus, wird das grüne Bad schamesrot.
Das Grün entstammt offenbar dem Azo-Farbstoff CI16035: Was die EU in Kleidung schon 2002 verboten hat, pantscht Alkmene noch immer ins Bad. Das Problematische daran ist die chemische Brücke in den Farbmolekülen. Die kann von Hautbakterien, der Leber und Verdauungsenzymen aufgespalten werden. Dabei werden die Azofarben in ihre Ausgangsstoffe, die aromatischen Amine, zurückverwandelt. Und Diese Bausteine können Allergien und sogar Krebs erzeugen. Richtig böse also. Und huch, da sind auch noch Benzophenone-4 drin. Was ist das? Ein synthetischer UV-Filter (im Schaumbad by the way?). Über die Haut findet er seinen hormonell wirksamen Weg in den Körper Das kann zu Fruchtbarkeitsstörungen, Fettleibigkeit und Brustkrebs führen. Über die weiteren fünf leicht bedenklichen Inhaltsstoffe in der „Kraft der Natur“ schweigen wir.
Wieso haue ich beim Thema Naturkosmetik ist nicht Bio gerade Alkene in die Pfanne?
Ganz einfach, weil mir das Alkmene Tarnen- und Täuschen-Produkt zufällig begegnet ist. Die Marke zieht sich auf so besonders unverschämte Weise das grüne Mäntelchen an, dass ich es mittlerweile unerträglich finde. Um ein Gefühl dafür zu kriegen, reicht es, sich die Alkmene-Website anzusehen. Und weil es ein Beispiel braucht, um diese Marketing-Masche zu verstehen, habe ich das Erkältungsbad mit Bio-Fichtennadelöl rausgenommen.
Andere Beispiele: Lush, The Body-Shop, Yves Roger
Alle drei Marken werden gern in einem Atemzug mit der (Natur genannt. Tatsächlich bietet Yves Rocher zertifizierte Naturkosmetik derzeit nur in einer einzigen Kosmetik-Linie an, die aber online nicht erhältlich ist. Bei den anderen Produkten finden sich gern schwer abbaubare Polymere (Mikroplastik) und hormonell wirksame Inhaltsstoffe. Auch LUSH und The Body Shop verzichten zum Großteil auf Zertifizierungen und verwenden kritische Inhaltsstoffe, wenngleich LUSH immerhin kommuniziert, in welchen Produkten Parabene aufzufinden sind.
Ich könnte hier auch, Kneipp, Tetesept und zigtausend andere Beispiele nennen, die mir täglich begegnen. Oder die meiner liebsten Freundin, der Kaisersederin. Intellektuelle und Beauty-Junkie, die Jahre gebraucht hat, um aufzuwachen. Und dann bekam ich eines Tages eine Nachricht, die mir den Tag versüßte. Sie ging so: „Fuck. Meine 20 Euro Kiehls-Bodylotion hat vier hormonell wirksame Zusätze, einer davon in manchen Ländern verboten.“ Ähm, ich muss übrigens noch was hinzufügen: Ein bisserl Mikroplastik ist auch noch drin bei der gehypten Apothekerpflege: zwei schwer abbaubare Polymere.
Wie kann ich sicher gehen, keinen grünen Fake zu erwerben?
Du kannst Dich an zertifizierte und kontrollierte Produkte halten. Unter anderem stehen Cosmos, BDIH, Natrue, EcoCert für kontrollierte Naturkosmetik. Wobei es selbst da schwierig wird.
Naturkosmetik Label „NaTrue“
Unterscheidet zwischen 3 Qualitätsstufen
Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bio-Anteil (70 Prozent der natürlichen Inhaltsstoffe sind biologisch) sowie Bio-Kosmetik (95 Prozent der natürlichen Inhaltsstoffe sind biologisch). Anhand des Logos ist das nicht unterscheidbar.
Naturkosmetik Label „Cosmos
Dahinter stehen mehrere Organisationen.
Etwa der Bundesverband deutscher Industrie- und Handelsunternehmen (BDIH), Istituto per la Certificazione Etica e Ambientale (ICEA) aus Italien, Bioforum aus Belgien, Cosmébio und Ecocert aus Frankreich. Jede Organisation vergibt ihr eigene Siegel, darf diese aber nur mit dem Zusatz COSMOS natural oder COSMOS organic verleihen. Bei COSMOS organic müssen mindestens 20 Prozent des Gesamtprodukts sowie 95 Prozent der physikalisch bearbeiteten Naturstoffe pflanzlichen oder tierischen Ursprungs aus Bio-Erzeugung stammen.
Ich persönlich mache Kosmetik entweder selbst, oder greife zu Biokosmetik. Da sind immerhin mindestens 95 Prozent der tierischen & pflanzlichen Inhaltsstoffe in Bio-Qualität. Demeter und die Austria Bio-Garantie stehen für eindeutige Bio-Qualität. Noch immer aber ist für mich die beste Variante, sich die App Codecheck zu installieren und jedes Produkt, das man kaufen will, zu scannen. So habt ihr schnell und unkompliziert den Durchblick, was die Inhaltsstoffe betrifft. Ihr würdet gern wirklich außergewöhnliche österreichische Biokosmetik kennenlernen? Ich habe hier die spannendsten recherchiert! Lesen lohnt!
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