Stichwort Wintergemüse: “Ich habe den Verdacht, dass der Asia Salat die Fachliteratur nicht gelesen hat, sonst hätte er nämlich wissen müssen, dass er es unter minus fünf Grad nicht aushalten dürfte.”
Wolfgang Palme
Zu dieser schönen Erkenntnis betreffend Wintergemüse kam Wolfgang Palme, nachdem er es vor mittlerweile über zehn Jahren nicht geschafft hat, einen Satz Asiasalate vor dem Wintereinbruch zu ernten. Und der trotz Frost und deutlichen Minusgraden wider Erwarten nicht hinüber war. “Wir staunten nicht schlecht. Salate bei -10 °C? Jetzt war unsere Neugier geweckt.” Seither komme er vom Wintergemüse nicht mehr los und aus dem Experimentieren nicht mehr heraus. Gut, dass Experimentieren sein Beruf ist. Palme ist Gründer und Betreiber der Wiener Cityfarm Augarten, unterrichtet und forscht seit 25 Jahren im Gemüsebau. Aus seiner neuen Liebe wurden mehrere Bücher und ein europäisches Innovationspartnerschafts-Projekt zum Thema “Wintergemüse in Österreich”, das seit 2016 läuft. Wohlgemerkt, es geht darin um heizungsfreien Anbau. Nix mit Wärme also. Palme wäre das vermutlich auch viel zu simpel. Mit ihm forschen seither übrigens zehn Bauern, die sich bisher bereits an ganzen 80 verschiedenen Winter-Gemüsearten versucht haben.
Kein Problem mit Kälte: Mangold & Vogerlsalat
Aber es gab ja schon immer Wintergemüse? Stimmt. Vogerlsalat zum Beispiel. Und? Vogerlsalat. Heute sprießt es in allen Farben. Mangold, unterschiedlichste Salate, Kräuter, Radieschen, Broccoli-Sprouts, Bundkarotten und -zwiebel oder farbenfrohe Kohl- und Zierkohlarten finden sich auf Freiland-Feldern und in unbeheizten heimischen Folienhäusern. Und die sind längst nicht nur optisch ein Highlight, sondern auch geschmacklich. Ihr müsst nur einmal meinem Kartoffel-Kohl-Auflauf nachmachen, dann wisst ihr, was ich meine.
Besser bitteres Wintergemüse, Baby!
“Viele der Wintersalate bestechen durch ihre Bitterkeit, andere Gemüse wie die Winterradieschen wiederum durch ihren mild-süßlichen Geschmack”, sagt etwa Biobauer Günther Achleitner. Und er fügt hinzu, dass man historisches Wissen rund um die Wintergemüsearbeiten “abgestaubt” habe, und so einiges neu entdeckt. “Dass Wintersalate bis unter minus elf Grad frosthart sind, das steht auch nicht in den alten historischen Gartenbüchern”, erläutert Palme. Und Achleitner setzt hinzu: “Da tun sich doch tatsächlich Möglichkeiten auf: ein Gemüseanbau im Winter als ressourcenschonende Alternative zu Ware aus dem Ausland oder aus High-Tech Glashäusern mit aufwändiger Beheizung und Belichtung.”
Hirschhornwegerich trotzt Minus-Temperaturen und ist im Kommen
Achleitner will künftig Hirschhornwegerich, Palm- und Zierkohl, Asia-Salate und noch so einiges mehr anbauen.” Daneben noch im Programm: Asia-Salate, Catalogna, Schwarz- und Grünkohl, klassischen Winterporree und ungewöhnlichen roter Vogerlsalat. Bundkarotten und Bundzwiebel halten es auch im Freiland aus. Geerntet wird vor Weihnachten und im Februar und März.
Braucht es bald keinen Wintergemüse-Import mehr?
“Könnte sein”, sagt Bio Expertin Gertraud Grabmann, die großes Potenzial ortet: „Mittelfristig könnte importiertes Gemüse im Winter dadurch sogar ersetzt werden.” Palme sieht das genauso. Er sagt: “Der Wintergemüse-Anbau stellt eine ökologische und nachhaltige Alternative zu der üblichen Winterversorgung mit Frischgemüse dar, die entweder durch aufwändige Importe aus südlichen Ländern oder durch ressourcenfressende heimische Produktion in beheizten und vielleicht sogar belichteten Gewächshausanlagen erfolgt.” Bedauerlich findet er nur eines: “Noch ist Bio-Wintergemüse nicht im breiten Sortiment des Lebensmittelhandels angekommen.”
Zum winterlichen Selbstversorger werden
Die gute Nachricht. Du kannst Wintergemüse auch selbst anbauen – sogar am Balkon! Wolfgang Palmes Buch “Ernte mich im Winter” (leider unbezahlte Werbung) liefert Tipps und wissenswertes dazu! Was genau erwartet Dich? Du bekommst ein Gespür für Ihr Gemüse: lernst, wie sich Wetter und Temperatur auswirken, wie man Pflanzen im Winter pflegt und wann man sie ernten kann. Erfährst, wie es möglich ist, das ganze Jahr nachhaltig anzubauen und zu genießen, ohne aufwendiges Profizubehör oder Beheizen. Plus: Das Buch ist eine Ode an den Winter: Die vergessene Jahreszeit im Garten neu erleben – draußen grillen, Weihnachtssalat aus dem eigenen Beet pflücken oder einen Schneemann mit regionaler Karottennase bauen. Klingt gut? Ist es auch. Ich liebe dieses Buch!
Wolfgang Palme:
Ernte mich im Winter
Löwenzahn Verlag, 176 Seiten gebunden, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-7066-2661 Bezug: bei Löwenzahn.
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