Autoimmunkrankheiten / Hard Facts

Mikrobiomanalyse: Das Gelbe vom Ei?

Close Up Bild des Mikrobioms, stellvertretendfür Mikrobiomanalyse

Du denkst daran, eine Mikrobiomanalyse zu machen? Dann solltest Du davor lesen, was die Gastroenterologin und MCAS-Spezialistin Dr. Corinna Geiger dazu sagt!

Immer wieder sitzen erwartungsvolle Patienten mit einer kompletten Analyse ihres Mikrobioms in meiner Sprechstunde vor mir. Sie hoffen, dass wir damit endlich den Schlüssel zu Ihren Beschwerden in den Händen halten. Denn diese Analysen sind ja wirklich teuer . . . Doch ganz so einfach ist es leider nicht!

Mikrobiomanalyse: Die Präanalytik

Unter Präanalytik versteht man in der Labormedizin alle Prozesse, die vor der eigentlichen Messung stattfinden: Probengewinnung, Probentransport, Probenlagerung und Probenvorbereitung. Für die meisten Mikrobiomanalysen wird einfach zu Hause eine Stuhlprobe abgenommen und diese dann am selben Tag ins Labor gebracht. Da kann ja eigentlich nicht viel schief gehen, oder? Naja . . . Es gibt in unserer Darmflora so genannte aerobe und anerobe Keime – mit anderen Worten Bakterien, die nur mit Sauerstoff oder aber nur unter Ausschluss von Sauerstoff wachsen können. Im Probengefäß befindet sich allerdings kein Vakuum, sondern Luft: Also werden die Bakterien bevorzugt, die unter aeroben (mit Sauerstoff) Bedingungen wachsen können – die anderen sterben unter Umständen schon auf dem Transport ins Labor ab. Und damit ändert sich bereits das Ergebnis. Das könnte man nur vermeiden, indem der Stuhl sofort nach Abnahme gefriergetrocknet wird.

Mucosa- vs. Lumenmikrobiom

Unser Mikrobiom hat zwei Lebenswelten: den Darminhalt und die Darmschleimhaut bzw. die Schleimschicht auf der Darmschleimhaut. Das Mikrobiom, das direkt auf unserer Schleimhaut sitzt ist extrem wichtig. Es steuert, welche Keime bis auf unsere Schleimhaut durchkommen und direkt mit unserem Immunsystem interagieren. Sie sind entscheidend dafür, ob im Darm ein entzündliches Milieu herrscht oder unser Immunsystem gut ausbalanciert ist. Diese Keime bleiben aber genau dort, wo Sie hingehören – nämlich in der Schleimschicht der Darschleimhaut. Und zwar, weil sie ohne die Mucosaccharide (Schleimbestandteile) nicht überleben können. Mit anderen Worten – dieser wichtige Teil des Mikrobioms findet sich kaum im Stuhl und kann daher nicht mit der herkömmlichen Mikrobiomanalyse erfasst werden.

Was wird denn dann in der Mikrobiomanalyse erfasst?

Es werden nur Bakterien erfasst – und zwar nur die Bakterien, die in der angelegten Kultur wachsen. Wir wissen jedoch, dass Pilze und insbesondere auch Viren (so genannte Phagen) ganz besonders wichtig für das Gleichgewicht und die entzündliche/antientzündliche Aktivität des Mikrobioms sind. Leider sind diese auch um ein Vielfaches schwieriger zu messen,. Daher sehen wir hier in der Forschung auch weniger Fortschritt.

Wie interpretiert man die Mikrobiomanalyse?

Es gab eine sehr gut gemachte Studie in Nature, die bereits im Jahr 2012 gezeigt hat, dass in einer gesunden Population die Zusammensetzung des Darmmikrobioms extrem schwanken kann. Das zeigt diese Grafik:

Graphik einer Mikrobiom-Analyse

In der oberen Grafik sind die 242 Studienpatienten nebeneinander aufgetragen. Die Höhe der jeweiligen Farbbalken spiegeln die Menge der unterschiedlichen Bakterienstämme wider. Man sieht, hier gibt es wirklich starke Unterschiede. Die untere Grafik zeigt das so genannte Metabolom derselben 242 Patienten an. Und da gibt es praktisch keine Unterschiede. Das heißt: Der „metabolische Output“ ist trotz erheblicher Unterschiede im Mikrobiom praktisch gleicht. Damit lässt sich vom Mikrobiom nicht klar auf Stoffwechselprozesse rückschließen.

Stichwort Ernährung

Die Ernährung spielt in der Mikrobiomzusammensetzung neben genetischen Faktoren und vorangegangener Antibotikatherapie mit Sicherheit die wichtigste Rolle. Wir wissen, dass PatientInnen mit Magen-Darm-Beschwerden leider häufig den Fehler machen, austesten zu wollen, welches Nahrungsmittel „nicht vertragen“ wird. Sie durchlaufen zahlreiche Exklusionsdiäten. Leider kann es schon nach zwei Wochen einer solchen Diät zum Absterben der jeweiligen Darmbakterien kommen, die für die Metabolisierung der exkludierten Lebensmittel notwendig sind. Daher verarmt die Darmflora durch Exklusionsdiäten unter Umständen innerhalb kurzer Zeit. Und die Beschwerden werden eventuell sogar schlimmer. In der Mikrobiomanalyse, die ja so oft eher spät im Beschwerdeverlauf gemacht wird, zeigt sich damit eigentlich immer eine reduzierte Diversität. Ob das durch die vorangegangenen Diäten bedingt ist, oder vielleicht schon immer so war und es einen Krankheitswert hat, können wir dann nicht mehr sagen.

Wenn wir also eine Mikrobiomanalyse bewerten wollen, müssen wir immer ein Ernährungstagebuch in den zwei bis drei Wochen vor Abnahme der Stuhlprobe mitbewerten.

Mikrobiomanalyse: Mein Fazit

Da es keine Normwerte für die Zusammensetzung des Mikrobioms gibt und es sich beim Ergebnis immer um eine Momentaufnahme handelt, die sehr schnell und stark schwanken kann und zusätzlich die Möglichkeit einer gezielten Modulation fehlt, macht die Mikrobiomanalyse, wie wir sie kennen, im Moment wenig Sinn. Ich greife daher lieber auf andere Werte und Untersuchungen zurück.

Hör Dir auch das Interview mit Dr. Geiger zum Thema MCAS-Diagnose an!

Dr. Corinna Geiger

ist Gastroenterologin mit Schwerpunkt Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom und Mastzellaktivierungssyndrom.
Sie betreibt eine Praxis in 1010 Wien.
Dieser Text wurde davor schon auf ihrem Blog veröffentlicht.
www.schnellgesund.at | Foto: ©Miriam Mehlman

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