Erfahrungsberichte

Bitte einmal glutenfrei – ohne Mitleid!

Eine Oma, die entsetzt ist, dass ihre Enkeling jetzt glutenfrei isst.

Ich habe Hashimoto. Ich esse glutenfrei, und noch mehr. Ich fühle mich endlich pudelwohl. Trotzdem bemitleidet mich mein Umfeld gern ungefragt.

„Na, du Arme, darfst wieder nicht mitessen“ durchdringt, wie ein wehleidiger Singsang, die Stimme meiner Oma das Geschwätz der Anwesenden auf dem Familienfest. Zustimmendes Nicken der Verwandtschaft. Oma fühlt sich bestätigt. Lisa ist eine ganz Arme. Wenn es die ganze Verwandtschaft so sieht, muss es ja stimmen. So läuft es meistens ab, wenn ich auswärts esse. Man ersetze also Oma durch jede x-beliebige Person.

Was macht das Mitleid der anderen mit mir?

Es hat eine ganze Palette an Emotionen ausgelöst. Anfangs tat ich mir daraufhin selbst tatsächlich ziemlich leid. Mittlerweile könnte ich aus der Haut fahren (hoffentlich kommt als nächste Stufe stoische Gelassenheit). Aufgrund meiner Autoimmunerkrankung Hashimoto verzichte ich auf Gluten, Kuhmilch, Soja, Zucker, Tomaten, Mais und diverse Bohnensorten. Klingt im ersten Moment heftig, ist es aber nicht. Klar, aller Anfang ist schwierig, und die Umstellung kostete mich Nerven und Tränen. Jedoch werde ich reichlich belohnt. Und zwar mit Lebensqualität – Yay!!

Doch wie komm ich drauf, auf all diese Lebensmittel zu verzichten?
Und was hat glutenfrei & Co mit meiner Oma zu tun?

Hängen wir das Ganze am Beispiel Gluten auf. Glutenfrei zu essen, stößt quasi immer auf Unverständnis. Grundsätzlich muss gesagt werden, dass Gluten niemandes Darm schmeichelt. Ganz im Gegenteil. Hat Mann oder Frau allerdings keine zusätzliche Baustelle, in Form einer Autoimmunerkrankung etc., ist unser Darm in der Lage das zu kompensieren.  Schafft er dies nicht mehr, wird’s unbequem. Das Blöde: Zuallererst muss man mal drauf kommen, die Symptome mit dem Darm in Verbindung zu bringen. Das ist gar nicht so einfach und durch die Kurzsichtigkeit der meisten Mediziner:innen diesem Thema gegenüber eine Odyssee für Betroffene. Auch ich habe die Unverträglichkeit anfangs nicht so richtig gemerkt. Also zumindest nicht von einem Tag auf den anderen. Ich hatte halt jeden Morgen ein anderes Wehwehchen. Mal war mir schlecht, mal schwindelig, mal war ich todmüde, ein ander Mal überdreht und nervös. Eben die normalen Mühen des Alltags, dachte ich mir. 

Völlig irre, oder? Anzunehmen, es sei normal, dass es dauernd irgendwo ziept und zwickt. 

Nach meinem ersten (und einzigen) heftigen Hashimotoschub wusste ich, so geht’s nicht weiter. Nerdig wie ich bin, verbrachte ich daraufhin Tag und Nacht damit, mir haufenweise Wissen anzueignen. Selbst ist die Frau!  Und siehe da, es gab zwar unzählige Meinungen und Ansätze, doch eines war ihnen gemein: Der Darm hat so viel mehr Einfluss, als selbst Mediziner oft denken. Geht es um Autoimmunerkrankungen, ist er Mitverursacher. So begann meine lange kulinarische Reise. Denn herauszufinden, was einem bekommt und was nicht, das geht nicht von heute auf morgen. Ich würde es als ständiges Trial- and Error-Unterfangen bezeichnen. Ich ließ diverse Lebensmittel weg, probierte sie wieder aus, ließ sie wieder, und begann von vorn damit. 

Im Bild ist Lisa, die glutenfrei isst. In der Hand hält sie Brot und Gemüse.
Lisa P. (33)*

ist eine Frau mit verdammt schwarzem Humor, einer störrischen Schilddrüse, liebevoll Schildkröte genannt, und einem turbulenten Leben voll mit Kindern, Hunden und dem alltäglichen Wahnsinn. Nebenbei ist sie als Psychologin tätig, schwer wissenschaftsaffin und experimentierfreudig in Punkto Lifestyle. Ihr könnt Lisa auf ihrem Instagram-Profil folgen!

*Lisa ist kein Geist, sie möchte nur aus persönlichen Gründen nicht mit vollem Namen genannt werden. Das respektieren wir!

Glutenfrei: Mein Umfeld beobachtete meine neue Ernährung mit Argusaugen

Und obwohl es meinem Körper und Geist von Monat zu Monat sichtlich besser ging, schlugen mir unentwegt Wellen des Mitleids entgegen. Je ungesünder die Speisen am Teller vor mir sind, desto höher wogt die Mitleids-Welle, wenn Du Dich für einen gesünderen Lebensstil entscheidest – kommt mir vor. Bis heute verstehe ich den Mechanismus dahinter nicht so richtig. 

Ein Cartoon, in dem es darum geht, wie das Umfeld reagiert, wenn man glutenfrei isst.
Lisas Appell: Bemitleidet Menschen nicht, die bestimmte Lebensmittel nicht mehr essen, wenn es ihnen gut geht.

Fakt ist: Mir geht’s super, ich bin so gesund wie seit langem nicht mehr, noch dazu glücklich. Und alles was mein Umfeld beschäftigt ist, wie ich Omas Cremeschnitten verschmähen kann. 

Lisa P., Hashimoto-Betroffene

Zermürbend, sag ich Euch. Derweil hätte ich am Tisch so viel mehr zu erzählen, so viel Spannendes über unseren Körper, die Verdauung, und beispielsweise, warum ich glutenfrei esse. Doch das will niemand hören. Zu unbequem. Da würde die Cremeschnitte am Ende gleich viel trockener schmecken. Und so ein bissl Wehwehchen gehören doch zum Alltag dazu, oder?

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