„C’è una torta senza glutine?“, frug ich den ligurischen Kellner, während ich versonnen auf’s Meer blickte. Nein, echt, das war so. In Italien kann man überall nach glutenfreiem Kuchen fragen. Es wurde ein schon immer glutenfreier, zuckerfreier Castagnaccio, der älteste Kuchen Italiens. Am Ende des Tages habe ich Luigi, dem Koch, das Rezept dafür abgeluchst.
Italien ist der glutenfreie Himmel. Also meiner. Und tatsächlich: „Si, posso offrire loro il Castagnaccio“, sagt der Kellner auf meine Frage nach einem glutenfreien Kuchen. Nur Minuten später servierte mir der gute Mann mit dem türkisfarbenen Hemd (sowas können nur Italiener mit einer gewissen Grazie tragen) eine lauwarme Offenbarung: Da stand ein glutenfreier, zuckerfreier Castagnaccio vor mir, oder auch der ältesten Kuchen Italiens aus Kastanienmehl. „Ich muss wissen, wie der geht“, sage ich zum Z. eine Viertelstunde später. „Weil, bitte wer kommt drauf, dass man Rosmarin und Pinienkerne in einen Kuchen tut? Und warum schmeckt der nur so dezent süß?“ Der schüttelte nicht mal mehr den Kopf. Er kennt mich.
Glutenfreier Castagnaccio: Der Herbstkuchen der armen Leute
Mit ein bisschen Bauchpinselei geht bei Italienern glücklicherweise so ziemlich alles. Von daher hatte ich am nächsten Tag ein Date mit Luigi, der Mehlspeisengranate des Cafes. Der hat mir dann erst mal erzählt, dass der Kastanienkuchen seit dem 16. Jahrhundert typisch für die Küche der einfachen Leute aus der Toskana ist. Er hat es aber auch in andere Apenninenregionen geschafft darunter Piemont, Ligurien, Emilia e Romagna und Kalabrien. Auf Korsika tischen sie ihn auch auf. Allesamt übrigens im Herbst – no na – Kastaniensaison. Dass der Castangnaccio ein Arme-Leute-Essen ist, wundert mich null. Die italienische „Cucina di Povera“ ist berühmt für ihre tollen Rezepte. Arm zu sein hat in Italien offenbar nie bedeutet, schlecht zu essen.
Keine Eier, keine Butter für diesen Kuchen
„Keine Eier und keine Butter“, sagte Luigi streng. Weil nämlich: der Castagnaccio ist ein einfacher Kuchen, der tatsächlich im Original nur aus Kastanienmehl, Wasser, Rosinen und Pinienkernen besteht. Also verwerft alle anderen Rezepte. Und eines ist damit auch gleich klar: das ist ein feuchter, kompakter Kuchen, nix mit luftig oder so. Viel mehr ein wärmendes, nährendes Essen. In Italien, erzählte mir Luigi, sagt man: Ein Kastanienbaum bringt eine Familie über den Winter. Mal abgesehen von den Rosmarinnadeln, die mit Liebe und Leidenschaft in Verbindung stehen. In Italien glaubte man früher sogar fest daran, dass ein Mann, der ein Stück Castagnaccio (mit Rosmarin) von einem Mädchen annimmt, sich auf der Stelle in sie verliebt. Das habe ich bitte noch nicht probiert.
Nicht irgendein glutenfreier, zuckerfreier Castagnaccio: Luigis Original
Ich habe Luigis Rezept aufgeschrieben und eigentlich nur den Dessertwein ausgetauscht gegen roten Traubensaft. Serviert hat er mir den Castagnaccio übrigens mit Ricotta, der mit Honig gesüßt wird. Und ich kann sagen: Der Mix ist unwiderstehlich. Ricotta von italienischen Kühen ist übrigens lektinfrei – Stichwort A2 Casein. Die typischen Risse nach dem Backen sind übrigens völlig normal und gewollt. Persönlich mag ich den Castagnaccio am liebsten lauwarm. Deshalb schiebe ich ihn am Tag nach dem Backen noch einmal kurz in den Ofen. Das geht problemlos. Er ist dann gut durchgezogen und bekommt eine krokante Kruste. Was fast noch besser schmeckt. Buon Appetito!
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Glutenfreier, zuckerfreier Castagnaccio
Zutaten
- 500 g Kastanienmehl
- 400-500 ml Wasser
- 80 g Pinienkerne
- 2 Zweige Rosmarin
- 3 EL Olivenöl
- 100 g Rosinen ungeschwefelt (Achtung: salicylathaltig)
- 100 ml Roter Traubensaft
Anleitungen
- Den Ofen auf 180 Grad Umluft vorheizen.
- Die Rosinen für 10 Minuten in erwärmten Traubensaft einlegen, damit sie etwas aufquellen.
- Das Kastanienmehl in eine größere Schüssel sieben und mit dem Wasser und 2 EL Öl verrühren, bis eine dickflüssige, cremige, klumpenfreie Masse entstanden ist.
- 3/4 der Rosinen und Pinienkerne unterheben.
- Eine Auflaufform mit 1 EL Olivenöl besprenkeln. Den Teig hineinleeren.
- Mit dem Rest der Rosinen, Pinienkerne und den Rosmarinnadeln bestreuen und wieder mit etwas Olivenöl besprenkeln.
- Im vorgeheizten Rohr etwa 20 Minuten lang backen, bis die Pinienkerne goldbraun geworden sind. Vor dem Servieren auf lauwarm abkühlen lassen.
Notizen
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6 Comments
Dorothea Fading
24. Dezember 2022 at 0:22Liebe Alexandra, ich liebe Italien und das Rezept klingt wirklich wunderbar. Leider mag bei uns in der Familie keiner Rosinen. Kann man das auch durch etwas anderes ersetzen?
Alexandra
24. Dezember 2022 at 23:26Liebe Dorothea, im Prinzip kannst Du sie durch andere Trockenfrüchte ersetzen, die etwas Süsse abgeben (ist ja kein Zucker drin). Spontan würde ich sagen klein geschnittene Aprikosen oder Zb. Kirschen. Sauerkirschen wären auch cool, aber damit fehlt es vermutlich an Süsse!
Christian
22. Januar 2023 at 19:26Super lecker, so ein warmes Castagnaccio.
Statt Rosinen verwende ich getrocknete Cassis, schwarze Johannisbeeren, die haben keine Zusatzstoffe drin. Die leicht säuerlichen Beeren passen bestens zu Kastanie. Die Beeren für obendrauf lege ich erst gegen Schluss auf den Fladen, sonst werden sie trocken und etwas bitter.
Die Pinien für den Teig röste ich zuerst goldbraun in der Bratpfanne, so bekommen sie einen nussigen und aromatischen Geschmack. Meine Gäste mögen den Castagnaccio eher süsser, dann kann man am Schluss etwas Kastanienblütenhonig drüberträufeln.
Dazu esse ich etwas Geissenfrischkäse und geniesse ein Glas Wein.
LG Christian
Alexandra
22. Januar 2023 at 23:31Was für coole Tipps, vielen Dank, lieber Christian. Klingt ganz nach meinem Geschmack!
Elodie
29. September 2024 at 0:15Liebe Alexandra, man könnte den Kuchen doch auch mit frischen Kastanien machen oder? Im Herbst ist bei uns der Wald voll mit Esskastanien. Hättest du einen Vorschlag für die Mengenangaben gekochte Kastanien und Wasser?
Alexandra Binder
2. Oktober 2024 at 13:05Liebe Elodi, ich fürchte, das kann ich Dir nicht sagen. Aber Du kannst Dein eigenes Maronenmehl machen. Wie das geht, steht hier beschrieben.