„Du hast ja einen Vogel“, denke ich mir aufgebracht am Meer sitzend, als der liebste Z. eine Meditation vorschlägt. Am Ende war dieser Moment, an dem ich zum ersten Mal erfuhr, was Meditation wirklich kann. Und im Hier und Jetzt ankam. „Meditation beruhigt Dich“ (okay Deinen Geist) war plötzlich kein Schlagwort mehr.
Meditieren also. Zur Beruhigung meines Geistes, der grade aufdreht. Weil der Urlaub morgen vorbei ist, und der ungute, runde Geburtstag in greifbarer Nähe. Einfach wegmeditieren? Jetzt? Absurd. Gut, Meditation ist nicht neu für mich. Und der Z. hat ja einen einjährigen Buddhismuslehrgang gemacht (mit zweitägiger Prüfung, Bitte!). Von daher trotze ich auch nur zehn Minuten und raffe mich dann doch auf. Es kommt wie erwartet. Ich beobachte: Der Rücken tut weh, ich sitze richtig schlecht, das Bein schläft ein im halben Lotus, die Gedanken springen rum wie wild gewordene Affen. Da ist rein gar nichts, das sich nach Meditation beruhigt Dich anfühlt.
Gerade, will ich aufgeben, da spüre ich es zum allerersten Mal so richtig. Das Entstehen und Vergehen. Plötzlich lösen sie sich auf. Die Emotionen. Alles wird leicht. Ich sitze und sitze und genieße.
Alexandra Binder, Mediations-Mittelbegabte
Bis mir der Z. nach dreißig Minuten ein T-Shirt auf die Schultern legt. Den Rest des Tages? Ist Ruhe in mir. Seit diesem Moment weiß ich, wie stark Meditation auch oder gerade bei mir als autoimmunerkranktem Menschen wirkt, der wirklich schwer runterkommt. Gut, der Buddha wusste das schon vor 2.500 Jahren.
Aber wie sieht der Buddha das mit der Achtsamkeit und der Meditation?
Achtsamkeit wurde nicht von Yogalehrern erfunden. Etwaigen windigen, selbst ernannten Gurus. Und auch nicht vom geschätzten Jon Kabat Zinn, dem MBSR-Begründer. Der das im Übrigen aber eh nie behauptet hat. Er hat das buddhistische Vipassana-Konzept 1:1 übernommen, mit ein paar einfachen Yogaübungen ergänzt. Warum er das Wort Buddhismus in MBSR-Ausbildungen wie der Teufel das Weihwasser meidet, ist mir allerdings bis heute unerklärlich. Achtsamkeit hat seine Wurzeln im Buddhismus. Punkt. Daran gibt es nichts zu rütteln. Genauso wie an der Aussage „Meditation beruhigt Dich“. Wie der Buddha Achtsamkeit definiert, das kann man im Satipatthana Sutta (Grundlagen der Achtsamkeit) nachlesen: Achtsamkeit bedeutet, Dir in jedem Moment bewusst zu sein, was Du gerade machst, wie Du es machst und welche Wirkung es auf Dich hat. Nicht nur bei der Meditation, auch im Alltag. Es geht darum, präsent zu sein und wahrzunehmen, was in Dir und rund um Dich geschieht – ohne es zu bewerten
Ein Trainingsprogramm für’s „Ganz und Heil werden“
Satipatthana ist ein Trainingsprogramm aus der ältesten Überlieferung der Lehrreden des Buddha. Damit gewinnt man Kontrolle über den eigenen Geist. Gut, aber was genau bringt das in der Realität? Ich zum Beispiel rege mich im Normalfall total darüber auf und zucke aus, wenn jemand forsch mit mir umgeht. Seit ich regelmäßige Achtsamkeitsmeditation praktiziere, ist mein Geist bereits viel ruhiger geworden (gut, ein klitzekleines bisschen hilft auch Ashwaghanda mit). Ich bin mittlerweile recht cool und gelassen, wenn mir so etwas wieder mal passiert. Ich schreie auch keine phrasendreschenden, mühsamen Callcenter-Mitarbeiter mehr an und ärgere mich nicht mehr über nicht weggeräumtes Geschirr. Hilft also auch ungemein im ganz banalen Alltag.
Achtsamkeits-Meditation Teil 1: Samatha
Die buddhistische Achtsamkeitsmeditation besteht aus zwei Teilen, Samatha und Vipassana. Samatha bedeutet Geistesruhe. Es geht darum den Geist auf ein Objekt zu konzentrieren. Meist ist es der Atem. In Burma beobachtet man statt dessen das Anheben und Absenken der Bauchdecke. Wenn ablenkende Gedanken oder Empfindungen entstehen, lässt man sie wieder los und bringt die Aufmerksamkeit sanft zurück zum Atem. Ja eh, das ist nicht ganz leicht, manchmal scheint es sogar unmöglich. Aber: Siehe Beginn dieser Geschichte. Diese Übung trainiert den Geist, im gegenwärtigen Moment zu bleiben und nicht abzuschweifen.
Meditation beruhigt Dich: Warum der gegenwärtige Moment so wichtig dabei ist.
Weil der menschliche Geist die Tendenz hat, unentwegt entweder in die Vergangenheit zurück zu gehen, oder sich um die Zukunft zu sorgen. Was wir dabei verpassen und versäumen, ist das, was jetzt passiert: Den gegenwärtigen Augenblick. Diesen kleinen Ausschnitt zwischen dem gerade Gewesenen und dem noch nicht Stattfindenden.
Achtsamkeitsmeditation Teil 2: Vipassana
Im Vipassana, der Einsichts- oder Klarblicksmeditation konzentrierst Du Dich ebenfalls auf den Atem. Zusätzlich beobachtest du – das ist jetzt sehr vereinfacht gesagt – aber auch Körper- und Geistregungen. Zum Beispiel achtest Du darauf, ob Du lange ein- und ausatmest, oder kurz. Und ob sich Dein Atem beruhigt und verändert. Wenn Du merkst, Du bist unkonzentriert, dann stellst Du einfach fest: „Mein Geist ist unkonzentriert“. Ist das Gegenteil der Fall: „Mein Geist ist konzentriert“. Stellt sich ein angenehmes körperliches oder geistiges Gefühl ein, oder aber ein unangenehmes, stellst Du auch das fest.
Meditation: Beobachten, nicht bewerten!
Die Regungen im Körper und im Geist bewerte dabei bitte nicht. „Shit, jetzt tut mir wieder etwas weh“ wäre ein bisschen kontraproduktiv. Das Credo ist: Einfach annehmen, was ist. Im Beobachten der Regungen des Körpers, des Atems und des Geistes bemerkst Du irgendwann, dass eh keiner dieser Zustände lang von Dauer ist. Sie lösen sich in Wahrheit nämlich immer wieder ab. Zum Beispiel entsteht ein Schmerz im Bein, wie bei mir am Strand. Gleich gut ist es aber möglich, dass er sich auflöst. Oder Du bemerkst, dass Dein unkonzentrierter Geist durch Vertiefung des Atems konzentrierter wird. Vielleicht stellt sich auch ein plötzliches, schmerzliches oder freudiges Gefühl ein, und löst sich wieder auf.
Mediation beruhigt Dich: Unser Dasein bleibt unbeständig
Es ist wichtig, dieses stetige Entstehen und Vergehen während der Vipassana Meditation zu beobachten. Wir erlangen damit Einsicht. Und zwar in die Gesetzmäßigkeiten des Daseins. Es heißt ja nicht umsonst Einsichtsmeditation. Unsere Existenz ist ja unbestritten unbeständig. Nichts ist von fester Dauer. Und nun kommt’s: Je mehr wir daran festhalten und Beständigkeit herbeiwünschen, desto mehr Schmerz und Enttäuschung erleiden wir. Du brauchst Dich nur an das Gefühl erinnern, wenn Du einen wunderschönen Moment festhalten willst, der sich trotzdem auflösen wird. Das tut weh. Und genau das braucht man ja wirklich nicht, oder? Also trau Dich ran an Vipassana. Ich kann es Dir nur ans Herz legen. Mehr darüber erfährst Du auch in Buddhistischen Zentren, in Wien beispielsweise im Dhamma-Zentrum Nyanaponika, das von dem ehrwürdigen Mönch Bhante Seelawansa Maha Thero geleitet wird.
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