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Radioaktiver Saharastaub: Ist der gefährlich?

Saharastaub auf Straße, Menschen fahren in roter Wolke Motorrad.

Was hat es mit dem Staub auf sich, der sich neuerdings auch auf Straßen und in dicker, roter Schicht auf unserem Balkontisch zeigt? Kann radioaktiver Saharastaub Dir als autoimmunkranker Mensch gesundheitlich schaden?

„Boah zentimeterdicker, roter Staub!“, rief mich der Z. letztens auf den Plan. Ich gleich raufgehirscht auf den Balkon. Und tatsächlich, die rote Schicht auf dem Balkontisch war nicht ohne. „Shit, Saharastaub“, entfuhr es mir. Darauf er: „Was, das radioaktive Zeug?“. Genau das. Radioaktiver Saharastaub. Jeder googelt ihn, jeder will wissen, was das jetzt genau heißt. Und inwiefern es uns betrifft. Jetzt wo er dick, fett und rot auf unserem Balkon angekommen ist. Auch mein Journalistengen ist sofort angesprungen.

Ich meine Radioaktivität, hallo. Das weckt sehr unangenehme Erinnerungen an den Reaktorunfall in Tschernobyl. Damals, 1986, war ich grade ein Teenie. Und ich weiß noch genau, dass man uns via Staatsfunk mitteilte, dass Pilze aus nahegelegenen Wäldern problemlos gegessen werden können. Ganz so problemlos war es dann aber doch nicht. Die Waldviertler Eierschwammerl (Nagerl, Pfifferlinge) präsentieren sich heute noch verstrahlt. Einschub Ende. Zurück zum Saharastaub. Dass der radioaktiv ist, ist nicht wirklich neu.

Französische Atomtests sind der Missing Link.

Die französische Organisation zur Kontrolle der Radioaktivität im Westen (ARCO) analysierte schon 2021 Saharastaub, der an geparkten Autos an der Schweizer Grenze (im Jura) klebte. ARCO trat in Aktion, weil der Saharastaub die Stimmung in Süd- und Zentralfrankreich Richtung Apokalypse gekippt hatte. Und es stellte sich auch tatsächlich unschönes raus. Es fanden sich nämlich überdurchschnittliche Werte von Cäsium-137. Dabei handelt es sich um ein radioaktives Isotop, das in der Natur nicht vorkommt und das bei der Kernspaltung von Uran entsteht. Und bald war auch raus, woher die Radioaktivität kam: Es handelt sich um ein Überbleibsel der französischen Atomtests der 1960er Jahre in der Wüste Algeriens. Dort hatte man am 13. Februar 1960 eine Atombombe gezündet, die dreifach so mächtig war, wie die bekannte über Nagasaki im zweiten Weltkrieg. Dass davon noch was übrig ist, darf nicht verwundern.

Radioaktiver Saharastaub: „Nicht gesundheitsschädlich“

In einer Mitteilung sprach ARCO von einem Boomerang. Nach 30 Jahren ist nämlich noch rund die Hälfte des Stoffes nachweisbar. Und selbst nach 200 noch immer ein Prozent. Gefährlich sei der aktuelle radioaktive Fund im Saharastaub aber nicht, sagt ARCO-Forscher Pierre Barbey. Es seien 80.000 Becquerel/Quadratkilometer an Cäsium-137 nachgewiesen. Dieser Wert liege unter dem Grenzwert für mögliche Gesundheitsschäden. Der Fund „stellt eine sehr geringe Umweltverschmutzung dar“. Das bestätigt auch Salazar Carballo vom Labor für Medizinische Physik und Umweltradioaktivität an der Universität La Laguna auf Teneriffa. Dorthin weht der Saharastaub nämlich auch gern. Das Labor hat kürzlich eine wissenschaftliche Studie über die Strahlungswerte des Saharastaubsturms während des Karnevals 2020 veröffentlicht. Damals strandeten hunderte von Touristen, weil alle Flughäfen geschlossen wurden.

„Wir müssen mit natürlicher Radioaktivität leben“

Carballo erinnert zudem an einen weiteren wichtigen Punkt: Die natürliche Radioaktivität. Er sagt: „Eigentlich ist das, was uns am meisten der Radioaktivität aussetzt, das natürliche Radon, das aus dem Boden austritt“, Wobei Radon nicht ungefährlich ist. Immerhin 5-15 Prozent aller Lungenkrebs-Erkrankungen haben ihre Ursache in Radion. „Wir atmen es in Kellern und geschlossenen Räumen ein.“ Dass wir dieses radioaktive, natürliche Gas nicht mehr über längere Zeit einatmen, dafür sollen in Europa übrigens neue Bauvorschriften sorgen. Und Carballo bringt sogar einen positiven Aspekt ein: Die biologische Bedeutung des Saharastaubs. Er könne Nährstoffe und Mineralien wie Eisen in Regionen bringen, in denen die nicht vorkommen.

Achtung: Saharastaub ist problematisch bei Atemwegsproblemen.

Bleibt noch die dichte Partikelkonzentration des Saharastaubs. Für Menschen mit Atemwegsproblemen kann die problematisch sein. Feinstaubpartikel, die in die Lunge gelangen, können da Schäden verursachen. Der französische Biomediziner Claude-Alexandre Gustave erklärte gerade auf Twitter: „Schirokko“ erleichtert die Übertragung von Krankheitserregern über die Atemwege. Die eingeatmeten Sandpartikel können als Vehikel für krankheitserregende Bakterien, Viren dienen. (…) Sie fördern auch die Entzündung der unteren Atemwege, was chronische Atemwegsinfektionen oder Lungenerkrankungen komplizieren kann.“

Von daher: An Tagen, an denen Meteorologen mal wieder eine Saharastaub-Invasion vorhersagen, empfiehlt es sich tatsächlich, mal daheim auszuruhen und sich mit etwas Schönem zu beschäftigen, wie zum Beispiel Yoga Nidra.

Alexandra Binder About Author

Journalistin, Hashimoto-Hero, Kochwunderwaffe, Achtsamkeits-Anfängerin

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