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Tierwohl-Siegel beim Schwein: Saugemütlich?

Glückliches Schwein im Cartoon passend zum Thema Tierwohl-Siegel beim Schwein.

Wie lebt das Schwein eigentlich so, bevor auf seinem Fleisch später ein Label platziert wird, dem wir vertrauen sollen? Mein Check Tierwohl-Siegel beim Schwein zeigt es.

Wer ein zukünftiger “Schlachtkörper” ist, auf dessen Wohl wird in der Regel schon während seines Lebens wenig Wert gelegt. Von daher ist die Kastrierung von Ferkeln ohne jede Betäubung, das Kupieren des Schwanzes – dabei entfernt man den Ferkeln Schwanzwirbeln, und die Kürzung von Eckzähnen völlig legal in Österreich. Genauso wie das Einsperren der gerade Mutter gewordenen Sauen in Kastenständen ohne jede Bewegungsmöglichkeit. Doch wie wird das bei verschiedensten Tierwohl-Siegeln beim Schwein gehandhabt? Ich habe mir das genau angesehen und hinter die Kulissen der Gütezeichen Bio-Austria, Tierwohl kontrolliert zwei Hakerl, Demeter und der EU-Bioverordnung geschaut. Und eines sei vorweggenommen: Genaues Hinschauen lohnt sich.

Betäubungslose Kastration: Was sagen die Tierwohl-Siegel beim Schwein dazu?

Die erste gute Nachricht folgt auf dem Fuß: Auf Bio-Austria Bauernhöfen ist das betäubungslose Herausschneiden der Hoden aus dem Bauchraum der Ferkel verboten. Ebenso Njet sagen dazu die Macher des Labels Tierwohl kontrolliert 2 Hakerl. Etwas anders sieht es bei Demeter aus. Da ist entweder eine Betäubung oder das Verabreichen eines Schmerzmittels beim Kastrieren vorgesehen. Und jetzt bitte hellhörig werden: In der EU-Bioverordnung findet sich dazu keine Vorschrift. Im Umkehrschluss heißt das: Wer Schweinefleisch kauft, auf dem das EU Biosiegel klebt, kann sich nicht sicher sein, dass das Schwein während seines Lebens diese Qual nicht erleiden musste.

Tierwohl-Check Schwein: Das kupieren der Schwänze

Umstritten ist auch das Kupieren von Schwänzen. Dieser Eingriff soll das Schwanzbeißen verhindern, eine Verhaltensstörung bei Schweinen, die ursächlich mit der zu engen Haltung der Tiere und keiner Beschäftigungsmöglichkeit zusammenhängt. Dabei wird mit einem heißen elektrischen Eisen – einem sogenannten elektrischen Schwanzkupierer – ein Stück des innervierten Schwanzendes abgeschnitten bzw. abgebrannt. In der EU ist das routinemäßige Kürzen von Ringelschwänzen eigentlich seit 1994 verboten. Dennoch wird es in den meisten Ländern in 99 Prozent der Schweinebetriebe durchgeführt und von den Behörden geduldet, sagt die Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Nicht allerdings von den Institutionen, die hinter unseren untersuchten Siegeln stecken. Das Kupieren des Schwanzes ist ausnahmslos bei allen verboten.

Wie ist das mit dem Abschleifen der Eckzähne von Sauen?

Weil Ferkel das Gesäuge der Sauen und sich gegenseitig nicht verletzen sollen, werden ihnen die Eckzähne mit einer Zange abgekniffen. Sinnvoll ist das nicht unbedingt, wie unter anderem das Schweizer Bundesamt für Veterinärwesen in Bern nachwies. Dort hat man Ferkel in Abferkelbuchten und im Freiland gehaltene untersucht, und festgestellt: Bei 25 Würfen mit intakten Zähnen gab es zwar mehr durch die Zähne verursachte Gesichtsverletzungen, als bei 25 Würfen mit entfernten Zahnspitzen. Aber es starben nicht weniger, und sie nahmen nicht weniger zu. Die Euter der Mütter blieben unverletzt, die Sauen blieben nicht länger weg und sie säugten ebenso hingebungsvoll. Bei Demeter; sowie Tierwohl kontrolliert 2 Hakerl sagt man deshalb gleich Nein zum Zähneschleifen. Bei der EU Bioverordnung und Bio-Austria ist es in Ausnahmefällen erlaubt. Wie oft es Ausnahmen gibt, lässt sich nicht nachvollziehen.

Und wie viel Platz haben die Tierwohl-Siegel Schweine?

In der konventionellen Schweinehaltung hat ein ausgewachsenes Exemplar mit 110 Kilo lediglich 0,7 Quadratmeter Platz. Bei den untersuchten Siegeln ist das glücklicherweise mehr. Groß hervor tut sich aber keiner: Das Muss bei allen beträgt 1,5 Quadratmeter pro ausgewachsenen Tier. Eine eingestreute Liegefläche ist übrigens bei allen Siegeln Pflicht. Mindestens ein Drittel der Mindeststallfläche schreibt die Bio-Austria und die EU-Bioverordnung vor. Nur maximal die Hälfte des Stallbodens darf von Spalten bedeckt sein. So hält man es auch bei Demeter, zeigt mein Tierwohl-Check Schwein.

Gibt es noch Kastenstände?

Die unsägliche Praxis des Kastenstands ist leider nicht bei allen im Tierwohl-Check Schwein untersuchten Gütesiegeln verboten. Sie erinnern sich: Kastenstände sind körpergroße Einzelkäfige für Zuchtsauen, durch die fast jede Bewegung unmöglich gemacht wird. In der Regel verbringen heimische Zuchtsauen noch immer die Hälfte des Jahres in dieser Bewegunglosigkeit und können sich nicht um ihren Nachwuchs kümmern. Bei Bio-Austria und Tierwohl kontrolliert 2 Hakerl  ist der Kastenstand verboten. Anders hält man es bei Demeter. Da dürfen Sauen maximal 14 Tage so gehalten werden. Gar keine Einschränkungen diesbezüglich gibt es auch hier in der EU-Bioverordnung.

Wie beschäftigen sich die Schweine?

Natürliche Verhaltensmuster wie Wühlen, Kauen, Erkunden oder auch die Futtersuche können unsere Zuchtschweine in der Regel heute gar nicht mehr ausleben. Dabei wäre genau das wichtig. Denn Verhaltensstörungen und Aggressionen sind oft dadurch bedingt, weil die klugen Tiere sich nicht artgerecht beschäftigen können. Doch wie halten es unsere Siegel damit? Bei allen gilt nur Wühlmaterial als Pflicht, beim Tierwohl kontrolliert 2 Hakerl Siegel zusätzlich allerdings auch eine Scheuermöglichkeit.

Tierwohl-Siegel beim Schwein: Kann die Sau raus?

Ja, die Schweine können bei allen im Check Tierwohl-Siegel beim Schwein überprüften Labels raus. Und zwar in der Regel in einen befestigten, Außenbereich. Dabei geht der Innenraum im Normalfall fließend in einen – oft auch überdachten – Außenklimabereich über. Beim Siegel Tierwohl kontrolliert 2 Hakerl können die Tiere rund um das Jahr immer raus. Bei der EU-Bioverordnung und Demeter ist das im Prinzip auch so, allerdings gibt es da einen kleinen Zusatz: wenn es die Witterungsbedingungen erlauben. Bio Austria setzt aktuell auf mindestens 180 Tage Auslauf im Jahr.

Mein Fazit: Hinter jedem der Siegel stecken bessere Lebensbedingungen für die Schweine, als die reine konventionelle Haltung ihnen bietet. Wer auf Bio wert legt, der muss wissen, dass die EU-Bioverordnung alleine vieles nicht regelt. Insbesondere gibt es keine Vorgaben zur betäubungslosen Kastration und keine Einschränkung der Kastenstandhaltung. Die Siegel der österreichischen Bioverbände sind da deutlich strenger.

Ich persönlich greife bei Schweinefleisch ausschließlich zu Mangaliza-Schweinen. Sie können nur draußen gehalten werden, ihr Fleisch ist mürbe und zart, cholesterinarm, und enthält wertvolle Omega3-Fettsäuren. Die Fett-Qualität besitzt die für die menschliche Verdauung sehr geeignete Doppelbindung bei den ungesättigten Fettsäuren.

Alexandra Binder, Journalistin

Wenn Du jetzt auch wissen willst, wie die Legehennen hinter den Tierwohl-Siegeln leben, dann lies meinen großen Eierlegerinnen-Check.

Der Autoimmun-Lifestyle Check: Tierwohl-Siegel beim Schwein

Wie lebt das Schwein hinter dem Tierwohl-Siegel?

Auf dem Bild ist das Bio-Austria Siegel zu sehen. Zum Thema: Check Tierwohl-Siegel beim Schwein.

Bio Austria: ✔ 1,5 m² Platz/ausgewachsenem Tier, betäubungslose Kastration, Schwanzkupieren und Kastenstandhaltung verboten, max. 50 Prozent Spaltenboden, ein Drittel eingestreute Liegefläche, Wühlmöglichkeit, min. 180 Tage Auslauf,

✗ Kürzen von Eckzähnen in Ausnahmefällen erlaubt

Auf dem Bild ist das EU-Biosiegel zu sehen, passend zum Thema: Check Tierwohl-Siegel beim Schwein.

EU Bio-Siegel: ✔ 1,5 m² Platz/ausgewachsenem Tier,  Schwanzkupieren verboten, Wühlmöglichkeit, max. 50% Spaltenboden, ein Drittel der Mindeststallgröße muss eingestreute Liegefläche sein, Auslauf, wenn es die Witterungsbedingungen erlauben.

✗ Kürzen von Eckzähnen in Ausnahmefällen erlaubt, keine Vorgaben zur betäubungslosen Kastration, Keine Einschränkung bei der Kastenstandhaltung

Auf dem Bild sieht man das Demeter-Siegel. Zum Thema: Check Tierwohl-Siegel beim Schwein.

Demeter: ✔ 1,5 m² Platz/ausgewachsenem Tier, Schwanzkupieren verboten, Betäubung oder Schmerzmittel bei Kastration, Kürzen von Eckzähnen verboten, max. 50% Spaltenboden, eingestreute Liegeflächen, Wühlmöglichkeit, Auslauf ja, wenn möglich

✗ 14 Tage Kastenstandshaltung erlaubt.

Auf dem Bild ist das Tierwohl kontrolliert zwei Hakerl-Siegel zu sehen. Zum Thema: Check Tierwohl-Siegel beim Schwein.

Tierwohl kontrolliert zwei Hakerl:
1,5 m² Platz/ausgewachsenem Tier, betäubungslose Kastration, Schwanzkupieren und Kastenstandhaltung verboten, Wühl- und Scheuermöglichkeit, Auslauf jederzeit, planbefestigt/mit Spaltenboden, mind. 10% nicht überdacht.

✗ rutschfeste Spaltenböden, eingestreute Liegeflächen

Alexandra Binder About Author

Journalistin, Hashimoto-Hero, Kochwunderwaffe, Achtsamkeits-Anfängerin

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