Autoimmunkrankheiten / Mastzellen, Histamin & Co

Histamin: Ein Dilemma

Frau hält ein Glas Rotwein in die Kamera, das Histamin enthält.

Mal reagierst Du auf ein Gläschen Rotwein, mal nicht? Heute verträgst Du Pizza, morgen um dieselbe Uhrzeit nicht? Warum trotz zeitweiliger Symptomlosigkeit Histamin – oder besser eine Histaminose – Dein Problem sein kann, das erklärt Gastroenterologin & MCAS-Spezialistin Dr. Corinna Geiger.

Fangen wir am Beginn an: Der Bezeichnung Histaminintoleranz. Der Begriff ist für mich etwas unglücklich gewählt, wenn man bedenkt, was eigentlich dahinter steckt. Daher reden wir lieber von Histaminose statt Histaminintoleranz. Aber was ist diese ominöse Histaminose eigentlich? Die Histaminose ist einfach nur ein Ungleichgewicht zwischen anfallendem Histamin und dem, was der Körper durch seine Histamin-abbauenden Enzyme DAO und HNMT (Histamin-N-Methyl-Transferase) wieder loswerden kann.

Histamin, das kommt doch aus der Nahrung?

Nein, nicht nur. Natürlich gibt es zahlreiche Lebensmittel und Getränke, die Histamin enthalten oder unsere Histamin-abbauenden Enzyme hemmen, so dass höhere Histaminspiegel im Körper entstehen. Trotzdem höre ich von vielen meiner Patient:innen häufig eine ähnliche Geschichte: heute esse ich z.B. eine Pizza und es ist alles gut – morgen esse ich um dieselbe Uhrzeit dieselbe Pizza und es geht mir schlecht. Wie kann das zusammenhängen? Die Antwort heißt endogenes, also vom Körper selbst hergestelltes Histamin. Histamin ist im Körper ein Botenstoff, der in verschiedenen Situationen freigesetzt wird: psychischer Stress, körperliche Arbeit (Training), Entzündungen, Infektionen. Wobei der Vollständigkeit halber hier auch noch erwähnt sei, dass auch die Inhalation z.B. von Hausstaubmilbenkot den Histaminspiegel im Körper erhöhen kann.

Stress erhöht das Histamin? Warum das denn jetzt?

Wenn wir uns überlegen, wie unser Körper gebaut ist, so ist die Ausschüttung von Histamin durchaus sinnvoll in Stresssituationen. Er möchte uns in stressigen Zeiten vor allem vor noch mehr Stress, nämlich Infektionen schützen. Und hier kommen die Histaminrezeptoren ins Spiel:

Die vier Histaminrezeptoren

Es gibt 4 Histaminrezeptoren im Körper, die durchnummeriert sind: H1, H2, H3, H4. Sie finden sind in unterschiedlichen Organen und haben daher auch unterschiedliche Effekte.

H1 Rezeptoren

Kontraktion des Darms, Veränderung der Gefäßweite, Verengung der Bronchien, Ausschüttung von Adrenalin, erhöht Durchlässigkeit von Blutgefäßen, Erbrechen (über die sog. Area postrema im Gehirn), Weckreaktion

H2 Rezeptoren

Steigerung der Magensäuresekretion, der Herzfrequenz und der Kontraktilität des Herzens, Erweiterung der Gefäße

H3 Rezeptoren

Hemmung der Histaminfreisetzung im Gehirn (negativer Feedback Mechanismus), Hemmung anderer Botenstoffe wie z.B. Somatostatin im Magen

H4 Rezeptoren

wirkt auf die Zellen des Immunsystems und lockt diese an

Durch die verschiedenen Histaminrezeptoren mit Ihren unterschiedlichen Wirkungen lässt sich damit auch die Vielfalt der Symptome einer Histaminose erklären:

Für unseren Körper bedeutet das: durch die erhöhte Magensäure kommen mit der Nahrung keine zusätzlichen potenziellen Krankheitserreger in den Körper, die gesteigerte Darmmotorik (Durchfälle, weicher Stuhl) sorgen dafür, dass potenziell schädliche Erreger in uns schnell nach draußen transportiert werden und der Kreislauf ist mit schnellerer Herzfrequenz und höherem Blutdruck auf alles vorbereitet . . .

Histaminose: Therapie-Optionen

Mit dem Wissen, das wir jetzt über die Wirkung der unterschiedlichen Rezeptoren und die Histamin-abbauenden Enzyme haben, können wir unsere Therapiemöglichkeiten ableiten:

1. Reduktion des im Körper produzierten/freigesetzten Histamins

Hier bist Du wichtiger, als Dein Arzt! Das Stichwort heißt Stressreduktion. Das bedeutet natürlich nicht, dass Du Dein komplettes Leben umkrempeln musst. Aber es lohnt sich immer, sich einmal seinen Alltag aufmerksam anzuschauen und zu überlegen ob man mit Stressoren anders umgehen kann, oder zumindest kleine Erholungspausen im Alltag einbauen kann. Yoga oder Meditation kann zusätzlich helfen. Das im Körper produzierte Histamin stammt unter anderem aus sogenannten Mastzellen. Das sind spezielle weiße Blutkörperchen, die sich in praktisch allen Geweben befinden und vollgefüllt sind mit Botenstoffen – einer davon ist Histamin. Wir wissen, dass Zink und hohe Dosen an Vitamin C die Histaminausschüttung aus Mastzellen hemmen können.

2. Verbesserung der Aktivität der Histamin-abbauenden Enzyme

Hier kommen wieder Supplemente ins Spiel: Vitamin B6 ist ein Coenzym für den Histaminabbau und Glutathion vermindert zusätzlich oxidativen Stress und regeneriert Methylgruppen für die Enzymarbeit. Sehr gute Erfahrungen habe ich also mit einer Kombination aus Vitamin C, Vitamin B6, Zink und Glutathion gemacht – z.B. von Gut Decision (disclaimer: habe ich selbst entwickelt).

3. Hinzufügen zusätzlicher Enzyme

Dies sind ist die bekannteste Methode – es handelt sich um das Histamin-abbauende Enzym DAO, das in Kapselform erhältlich ist und ca. 10-15 min vor der Mahlzeit eingenommen wird.

4. Histamin-Effekt verhindern

Das können sogenannte Antihistaminika oder Histaminblocker – teils verschreibungspflichtige Medikamente. Es gibt unterschiedliche Blocker für die unterschiedlichen Rezeptoren – Dein Arzt wird daher Deinen Symptomen entsprechend das für Dich passende Arzneimittel auswählen.

Corinna Geiger, Autoimmun Lifestyle-Expertin und Internistin

Dr. med. Corinna Geiger

ist Gastroenterologin mit Schwerpunkt Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom, Mastzellaktivierungssyndrom und Long Covid.
Sie betreibt eine Praxis in 1010 Wien.
Dieser Text wurde davor schon auf ihrem Blog veröffentlicht.
www.schnellgesund.at | Foto: ©Miriam Mehlman

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