Internistin Dr. Corinna Geiger ist eine Spezialistin für das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS). Nach dem Lesen ihres heutigen Artikels weißt Du, ob sich chronische Beschwerden bei Dir damit erklären lassen.
Beginnen wir mit einer Frage: Was sind die Mastzellen überhaupt? Mastzellen sind gewebeständige weiße Blutkörperchen, die ca. 200 verschiedene Botenstoffe enthalten. Einige dieser Botenstoffe sind uns von Allergien bekannt – z.B. das Histamin. Ihre eigentliche Aufgabe ist es, uns vor parasitären und bakteriellen Infektionen zu schützen. Die Ausschüttung der Botenstoffe, die in der Mastzelle enthalten sind kann entweder durch Allergie-Antikörper (IgE) eingeleitet werden, aber auch nicht-immunologisch. Letzteres heißt z.B. durch bestimmte Medikamente oder Nahrungsmittel.
Chronische Beschwerden: steckt ein MCAS dahinter?
Der Begriff Mastzellaktivierungssyndrom beschreibt erst einmal lediglich den wiederkehrenden Zustand einer erhöhten Last an Botenstoffen aus Mastzellen, jedoch nicht, welche Erkrankung zugrunde liegt. Dafür braucht es eine weitere separate Abklärung nach Diagnosestellung. In Frage kommen: Allergie, systemische Mastozytose, Allergie-unabhängige Hypersensitivität, hereditäre Tryptasämie oder idiopathisches MCAS.
Tatsächliche Symptome eines Mastzellaktivierungssyndroms
So vielfältig wie die Botenstoffe der Mastzellen sind auch die davon verursachten Symptome, was es oft schwierig macht, schnell zu einer Diagnose zu gelangen. Viele PatientInnen warten jahrelang (im Schnitt sieben Jahre) auf eine Erklärung ihrer chronischen Beschwerden.
Diese Symptome sind aber nicht spezifisch für das MCAS und können selbstverständlich auch durch andere Erkrankungen verursacht werden. Daher ist es sehr wichtig, dies mit einem Facharzt (z.B. für Innere Medizin, Gastroenterologie, Allergologie, Rheumatologie oder Dermatologie) genau zu besprechen und mögliche andere Ursachen, die chronische Beschwerden auslösen, auszuschließen.
Wie diagnostiziert man ein Mastzellaktivierungssyndrom?
Dazu wurden im Jahr 2012 von Valent et al. drei Kriterien erarbeitet, die alle erfüllt werden müssen, um die Diagnose eines MCAS stellen zu dürfen:
- Typische Symptome, die episodisch auftreten und mindestens 2 Organsysteme betreffen.
- Biochemische Bestätigung einer erhöhten Mastzellaktivität – hier wird oft die Tryptase als wichtigster Marker genannt.
- Verbesserung der Symptome auf Mastzell-stabilisierende Medikation oder auf Medikamente, die die Wirkung eines Mastzell-Botenstoffs blockieren (z.B. Histaminblocker)
Ein normaler Tryptasewert schließt ein MCAS nicht aus!
Es sehr wichtig zu wissen, dass ein normaler Tryptasewert keinesfalls ein MCAS ausschließt, da dieser Wert individuell sehr unterschiedlich sein kann. Vielmehr ist es sinnvoll, zunächst an beschwerdefreien bzw. beschwerdearmen Tagen eine Tryptase „Baseline“ zu messen und damit einen Ausgangswert zu erhalten. Eine weitere Tryptase Messung sollte dann zu einem Zeitpunkt mit starken Symptomen erfolgen. Wenn es zu einem relevanten Anstieg (20%+2ng/ml) der Tryptase im Vergleich zum Ausgangswert kommt, kann damit die Diagnose eine MCAS bestätigt werden.
Was, wenn chronische Symptome ausschließlich den Magen-Darm-Trakt betreffen?
Betreffen die Symptome ausschließlich den Magen-Darm-Trakt, kann man nicht von einem Mastzellaktivierungssyndrom sprechen. Hier gibt es jedoch die sog. Mastzellen-assoziierte Enterocolitis, die verschiedene Symptome im Magen-Darm-Trakt (wie Durchfälle) erklären kann, wenn keine sonstige Ursache gefunden wird.
Um diese Diagnose zu stellen, werden Gewebeproben aus den verschiedenen Abschnitten des Magen-Darm-Trakts benötigt (diese können im Rahmen einer Magen- und/oder Darmspiegelung gewonnen werden). In diesen Gewebeproben können dann Mastzellen mittels eines speziellen Antikörpers gegen CD117 angefärbt und ausgezählt werden. Überschreitet die Anzahl der Mastzellen einen gewissen Wert, kann die Diagnose gestellt werden und es sollte auch hier eine Mastzellen-stabilisierende Therapie erfolgen.
Sollte die Wartezeit auf einen Termin beim Mastzellspezialisten sehr lange sein, kann ein Nahrungsergänzungsmittel (z.B. Stabilize Immune bis zum Termin versucht werden.
Achtung – die Tryptase (Blutwert) sollte vorher abgenommen werden!
Wie Alexandra zu ihrer Diagnose gekommen ist, lest ihr hier.
Dr. med. Corinna Geiger
ist Gastroenterologin mit Schwerpunkt Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom, Mastzellaktivierungssyndrom und Long Covid. Sie betreibt eine Praxis in 1010 Wien.
Dieser Text wurde auch auf ihrem Blog veröffentlicht.
www.schnellgesund.at | Foto: ©Miriam Mehlman
Quellen:
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