Ich bin eine Landpomeranze. Gut, eine Zeit lang fand ich das Landleben kleingeistig. Ich war mal Pariserin. Jetzt wohne ich in Wien und bin eine hippe Urban Gardenerin. Sarkasmus Ende. Aber, ich bin auch richtig gern wieder im Waldviertel. Da komm ich her, da gehör ich hin und so. Aber das Land hat sich verändert. Die saftigen Wiesen meiner Kindheit mit Unmengen an Wildpflanzen und Kräutern gibt es kaum mehr. Und ja, Artensterben und Krankheiten hängen durchaus zusammen.
Die Kühe meines Opas in den 1970ern haben sie noch gefressen. Die unterschiedlichsten Arten an Wildpflanzen. Vermutlich hat deshalb ihre Milch so gut geschmeckt. Und war verträglicher. Ich selbst habe noch den Duft in der Nase, wenn er gemäht hat und mit dem Traktor heimtuckerte. Hinten drin lag ich im Wagen voll Gras und Kräutern, grade mal sechs. Mama B.s Gedanken zur Entwicklung seit damals sind ein klitzekleines bisschen weniger romantisch. Sie meint lapidar: „Es wird heute zu oft gemäht. Du siehst ja kaum mehr Pflanzen. Außer Hahnenfuß, und der ist giftig.“ Ich denke immer öfter über den Zusammenhang von Artensterben und Krankheiten nach, speziell Autoimmunkrankheiten. Die steigen rasant.
Könnte ein Grund nicht auch daran liegen, dass wir ein funktionierendes System kaputt gemacht haben und jetzt die Konsequenzen serviert kriegen? Doch warum sterben immer mehr Arten? Weil es in der modernen Landwirtschaft bei einer Wiese allem voran darum geht, energiereiches Futter mit hohem Eiweißgehalt zu erzeugen. Diesen Futterwert bringen Gräser. Das ist aber noch nicht das alleinige Problem.
Die Wiesen werden viel zu intensiv gedüngt und zu häufig gemäht
Fünf oder mehr Schnitte pro Saison macht man heute, um Silage herzustellen. Silage ist ein durch Milchsäuregärung konserviertes Futtermittel, wie Gras. Früher brauchte man für Heu maximal drei Schnitte. Wenn überhaupt. Bestäubende Insekten wie Honigbienen, Wildbienen, Hummeln, Schmetterlinge und Co. trifft das hart. Sie sind ja auf den Pollennektar der Blüten angewiesen. Mit der ständigen Mahd wird ihnen dauerhaft das Futter entzogen. Und für uns wird sichtbar: Unsere Wiesen werden artenärmer.
Artenvielfalt können Bauern sich nicht leisten?
Mehr Artenvielfalt bringt weniger Erträge und finanzielle Einbußen, heißt es von Seiten der Landwirte. Die Schweizer Graslandforscherin Nina Buchmann kennt das Problem:
“Biodiversität gilt bei Bauern oft als nicht rentabel. Dabei kann sich absolut rechnen”.
Nina Buchmann, Graslandforscherin
Aber da geht noch mehr: “Landwirte, die Artenvielfalt auf ihren Wiesen und Weiden fördern, können sogar höhere Umsätze erzielen”, sagt Buchmann. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie die ökonomischen Mehrwerte der Artenvielfalt in einem Grasland-Experiment gezeigt. “Unsere Resultate zeigen, dass sich der Artenreichtum auf allen Wiesen ökonomisch positiv auswirkt. Egal, ob sie nur einmal oder viermal im Jahr gemäht und gedüngt werden.” Bei intensiverer Bewirtschaftung sei es allerdings schwierig, die Artenvielfalt hoch zu halten. Nur wenige Pflanzenarten ertragen das Düngen und häufige Mähen.
Der Artenreichtum ist eine Risikoversicherung
In dieser Deutlichkeit hätten die Forschenden ihre Resultate nicht erwartet. Dabei haben sie mehrere Faktoren noch gar nicht eingerechnet. Dass das Artensterben und Krankheit beim Menschen zusammenhängen. Und: “Die Biodiversität ist auch eine Art Risikoversicherung”. Artenreiche Grasländer könnten Extremereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen besser wegstecken. Verschiedene Pflanzenarten reagieren unterschiedlich auf solche Umwelteinflüsse und kompensieren etwaige Ausfälle teils. “Die Erträge werden über die Zeit stabiler.”
Eine größere Pflanzenvielfalt lohnt sich für uns alle
Die Forschenden sehen in ihren Ergebnissen einen klaren Hinweis, dass es sich für Landwirte lohnt, stärker auf eine größere Pflanzenvielfalt in ihren Wiesen und Weiden zu achten. “Artenreiches Grasland zu erhalten oder wiederherzustellen, kann zu einer Win-Win-Situation führen.” Nicht nur würden die Erträge und der Betriebsumsatz steigen. Gleichzeitig werde die Bestäubung und die Wasserqualität gestärkt und gefördert.
Warum ich Dir das mit den Wiesen meiner Kindheit voller Kräuter alles erzähle?
Weil unsere Lebensmittel mit unserer Gesundheit zu tun haben. Und das Artensterben die Qualität dieser Lebensmittel massiv beeinflusst. Unsere Nutztiere sind davon betroffen. Und damit auch wir. Wir stehen am Ende der Kette. Wir essen Milchprodukte und Fleisch der Nutztiere. Die sich verschlechternde Qualität unserer Nahrungsmittel macht uns krank, das ist eine Milchmädchenrechnung.
Ich muss kein Arzt sein, um die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Artensterben und Krankheiten etwas miteinander zu tun haben.
Alexandra Binder
Abgesehen davon: Wir werden nicht überleben, wenn es keine Insekten mehr gibt. Das müssen wir wissen, und unsere Verbrauchermacht nutzen. Was das heißt? Möglichst bei Bauern einkaufen, die die Artenvielfalt fördern. Was meint ihr dazu? Wollt ihr mehr über solche Zusammenhänge Lesen? Dann ist mein Artikel, darüber, wie sich unser Fleischkonsum auf Südamerika auswirkt vielleicht spannend für Dich.
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